BENCHMARKING: WAS ZAHLEN MEINEN
Benchmarks helfen, die Ausrichtung der Ordination zu vermessen. Die Zahlen liefern die Maßgabe, ob Budgetprognosen für eine Ordination realistisch sind.

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Benchmarking ist eine von Ärzte- und Steuerberatern häufig angewandte Methode, die wirtschaftliche Performance einer Praxis darzustellen. Die besten, schlechtesten oder die durchschnittlichen Ertragswerte der fachgleichen Ordinationen werden mit den eigenen Zahlen verglichen. Vordergründig zeigt die Einordnung in die obere oder untere Hälfte des Fachspektrums, wo die Ordination steht. Diese Botschaft steht aber nicht allein: Die Benchmarkzahlen zeigen auch das Verhältnis aus eingesetzter Arbeitszeit und Ertrag. Iris Kraft-Kinz, Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei MedPlan, verweist auf verblüffende Rückschlüsse: „Es gibt Ordinationen, deren Team mit 70 Prozent der Arbeitszeit genauso viel Ertrag erwirtschaften wie gleiche Praxen, in denen Chefs ständig am Rande des Burn-outs wandeln“. Manche der Ordinationen liegen im Umsatz weit über den ertragsstärksten Praxen, schießen aber bei den Personalkosten, den Immobilienkosten (Miete) oder Kreditrückzahlungsverpflichtungen soweit über das Ziel hinaus, dass nur Teile des Ertrages der Vergleichspraxis übrig bleiben. Benchmarking lässt in diesen Fällen jene Kostenpositionen rot aufleuchten, in denen die unproduktiven Ordinationen ihre Ertragskraft verlieren.
FEHLER SICHTBAR MACHEN
Benchmarks machen für die einzelne Ordination sichtbar, wo die eigenen Immobilien- und Personalkosten im Vergleich zu den Ausgaben der Kollegen liegen. Denn für den einzelnen Ordinationsinhaber und -inhaberin gehen diverse Kostenpositionen oft im Umsatz unter. Erst durch den Vergleich mit anderen Ordinationen wird problematische Entwicklungen sichtbar. „Es gibt immer wieder intensive Diskussionen mit den Klienten, die behaupten, ihre Praxis sei aus dem einen oder anderen Grund nicht mit dem Branchenschnitt vergleichbar“, verweist Kraft-Kinz auf eine „Kultur der Ausflüchte.“
Ärzte und Ärztinnen, die die Ertragskraft ihrer Ordination steigern wollen, dürfen keine Scheu haben, alte Zöpfe auch abzuschneiden. „Mit der Vergleichsmethode kann ich einem Ordinationsinhaber eindeutig aufzeigen, wo die Stellschrauben für ein besseres Ordinationsergebnis zu finden sind. Ob die notwenigen Maßnahmen dann getroffen werden oder nicht, bleibt aber die Managemententscheidung der Ärztinnen und Ärzte“, zeigt Kraft-Kinz die Grenzen einer Beratertätigkeit auf.
VERSCHIEDENE QUELLEN, HOHE ÜBEREINSTIMMUNG
Kraft-Kinz greift für das Benchmarking auf anonymisierte Vergleichsdaten aus ihrer Kanzlei zurück. Sie hat aus den über 400 Ordinations-G+Vs ihrer Klienten das entsprechende Zahlensubstrat destillieren lassen. Ihre Daten entstammen in erster Linie aus Praxen in Wien und Niederösterreich. Banken und Kreditschutzverbände nützen bei ihren Vergleichen ähnliche Datenbanken, die von wissenschaftlichen Instituten in Zusammenarbeit mit mehreren Steuerberatern gesammelt wurden (Atlas-Medicus) und die meist um eigene Analysen angereichert werden. Interessanterweise kommen sämtliche Datenbanken zu vergleichbaren Ergebnissen. Die Ärztespezialisten der Banken geben übereinstimmend an, dass sie sogar die regionalen und fachgruppenspezifischen Abweichungen in den maßgeblichen Benchmark-Quellen wiederfinden. Grund: Die – aus finanztechnischer Sicht – relativ simplen Gewinn- und Verlustrechnungen der einzelnen Ordinationen können sehr gut miteinander in Beziehung gesetzt werden. Steuerberaterin Iris Kraft-Kinz vergleicht ihre internen Berechnungen immer wieder mit den Datenbanken der Geldinstitute. „Da kann man das Lineal drüberlegen.“
PRÄZISE PROGNOSEN
Iris Kraft-Kinz, Geschäftsführerin der Steuerberatungskanzlei MedPlanEine weitere Stärke von Benchmarks: Die Plausibilität des eigenen Budgets kann durch die Vergleichszahlen überprüft werden. Banken machen bei der Kreditprüfung nichts anderes. Gerade Ordinationsgründer können hier von den Vorzügen valider Benchmarkdaten profitieren. Die Kosten eines Ordinationsgründers liegen durch die Gewerkeangebote, fachspezifische Equipment- und Personalausgaben sowie fixierte Immobilie- und Finanzierungskosten relativ präzise am Tisch. Fuhrparkkosten und die gewünschten Privatentnahmen werden diesen Zahlen hinzugefügt. So lässt sich mit hoher Präzision bestimmen, wo die Gesamtheit des Aufwandes zu liegen kommt. So kann auf dieser Basis präzisiert werden, wieviel Ordinationsumsatz unter diesen Vorgaben notwendig ist. Iris Kraft-Kinz: „Ein guter Steuerberater kann mit hoher Sicherheit sagen, ob der Zielumsatz einer bestimmten Ordination leicht, wahrscheinlich oder kaum erreicht werden wird“. Dies gilt übrigens auch für Sanierungspläne für Ordinationen.
REGIONALE MUSTER
Die Berufssituation von Allgemeinmedizinern am Land und in der Stadt differiert stark. „Es gibt ein gewaltiges Stadt-Land-Gefälle“, erklärt die Steuerberaterin die Unterschiede, „der Allgemeinmediziner in der Stadt ist eher klein strukturiert. Die unmittelbare Konkurrenz von Fachärzten ist überall spürbar.“ Landpraxen hätten es hier einfacher: Die Arbeitsbelastung stehe dabei freilich auf einem anderen Blatt. Aus Bundesländersicht ergeben sich klare Trends. Am schwierigsten haben es die Wiener Ärzte, die bei ihren Kassenverträgen mit den schärfsten Restriktionen zu kämpfen haben. Auch die burgenländischen Kassenverträge gelten nicht gerade als Versorgungsgaranten. Kärntner, Vorarlberger und Tiroler Ärzten geht es etwas besser. Salzburger, Steirer und Oberösterreicher verfügen über akzeptable Bedingungen, die Poleposition wird unisono den Niederösterreichern zugebilligt.
FÄCHER IM VERGLEICH
Eine weiterer Schluss: Niedergelassene Ordinationen kennen keine Skaleneffekte. Während in einem Industriebetrieb die Stückkosten mit der Höhe der Produktion (in der Regel) fallen, bleibt der Aufwand pro Patient gleich – egal ob 600 Patienten im Quartal oder 1.500. Das hat zur Folge, dass der Kostenanteil am Umsatz nicht oder kaum sinkt. Eine allgemeinmedizinische Praxis hat Kosten zwischen 50 und 60 Prozent des Umsatzes. Dies bedeutet: Mehr Umsatz bedeuten durchaus mehr Gewinn. Aber die Ertragskraft nimmt bei großen Ordinationen nicht automatisch zu. Benchmarks zeigen aber noch etwas: Der Arztberuf kann in Österreich immer noch seinen Mann oder seine Frau ernähren.