MARKETING FÜR LANDPRAXEN

Ein reibungsloser Arbeitsablauf und zufriedene Patient*innen sind Teil eines Marketingkonzepts, das sich auch für den Gemeindearzt im ländlichen Raum lohnen kann. Ziel ist, den Anteil der Privatleistungen am Umsatz zu steigern.

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Es gehört zu den ersten Schritten eines Marketingkonzepts, die Zielgruppen der Ordination zu bestimmen. Spätestens hier heben zahlreiche Allgemeinmediziner am Land ihren Arm zum Protest. „Ich bin der einzige Allgemeinmediziner in einer 3.000-Seelen-Gemeinde. Da ist kein Platz zum Rosinenpicken“, ärgerte sich ein Gemeindearzt anlässlich eines Vortrages zum Thema „Wohlfühlpraxis“. Insgesamt würden all diese Konzepte am Alltag eines Allgemeinmediziners auf dem Land vorbeigehen. „Patienten haben wir genug. Unser Problem ist der mangelnde Ertrag im Vergleich zur Arbeitszeit“, sprach der oberösterreichische Mediziner unter dem Beifall seiner Kollegen.
 

QUALITATIVE STEIGERUNGEN

Marketing ist für Ordinationen kein Instrument, das sich ausschließlich an der Mehrung der Patientenzahlen orientiert. Marketing ist eine Form der Praxisführung, die die Anforderungen und Wünsche der Patienten beachtet, um auf diese Weise die Praxisziele schneller und einfacher zu erreichen. Ganz wichtig: Neben dem Patienten sind auch Mitarbeiter und Praxisorganisation wesentliche Fundamente eines Marketingkonzepts, an dessen Ende ein reibungsloser Arbeitsablauf und zufriedene Patienten stehen. Direkter Profiteur des guten Betriebsklimas und des beschleunigten Ordinationsalltags ist – neben vielen anderen Gewinnern – der Arzt selbst.

Zielgruppen-Ausrichtung bedeutet nicht, bestimmte Patientenkategorien auszugrenzen. Vielmehr versucht man, neue Kreise anzusprechen. Wer die Verletztenzahlen in den unterklassigen Fußballklubs in den Dörfern kennt, weiß um die große Gemeinde dankbarer Jugendlicher, die einen guten Sportarzt in der Nähe wissen. Ein kleiner Tipp dabei: Die Seniorenteams geben die bessere Zielgruppe speziell für muskuläre und orthopädische Probleme.

Die Ansprache neuer Patientenkreise kann bedeuten, eine Ausrichtung auf komplementäre Ansätze beispielsweise TCM in Betracht zu ziehen. Wer glaubt, es gäbe dafür am Land keine Nachfrage, erliegt zu sehr dem Klischee des langweiligen Dorfeinerleis. Wichtig ist dabei, den kollegialen Mitbewerb im Auge zu behalten: Eine alteingesessene Kollegin oder Kollege aus dem Nachbardorf mit demselben Behandlungsansatz macht einen derartigen Start deutlich schwieriger. Kleine Teiche ernähren nur einen Fischer. Wie alle Spezialisierungen bedarf es einer klaren Kommunikation, um die Ansprache an die alternativ-medizinische Zielgruppe von der festen Positionierung in der traditionellen, schulmedizinischen Patientenschaft zu trennen. Schwierig wird es am Land nur mit Bereichen, die eine gewisse Anonymität verlangen. Bei Laserbehandlungen für kosmetische Zwecke sind die Hemmschwellen der Patientinnen und Patienten ohne städtische Namenlosigkeit nur schwer zu überwinden.

STRATEGIE UND FREUNDLICHKEIT WIRKEN ÜBERALL

Die Positionierung der Selbstzahlerleistungen ist keine Frage, ob die Praxis auf dem Land oder in einem Ballungsraum zuhause ist. Wie „gut“ die Qualität der Behandlung empfunden wird, wird entscheidend beeinflusst vom Umfeld und vom Ambiente der Praxis, von der Stimmigkeit und Reibungslosigkeit der Abläufe, von der Kompetenz und der Sympathie des Praxisteams, von der persönlichen Beziehung zum Behandler und natürlich von der Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Es sind die „gefühlten“ weichen Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind, ob der Patient eine Privatleistung als Zuzahlung oder als Draufzahlung ansieht.

Ein stimmiges Praxiskonzept ist hierbei meist die Grundlage für die problemlose Akzeptanz von Zuzahlerleistungen. Das bedeutet, kurz-, mittel- und langfristig eine klare Strategie und definierte Ziele zu haben. Mit der Strategie bestimmen Sie, auf welchem Qualitätsniveau Sie Ihre Behandlungen anbieten wollen. Die Strategie einiger Erfolgspraxen sieht beispielsweise die klare Entscheidung für ein bestimmtes Vorsorgekonzept vor, das dem Qualitätsanspruch auch am Land am besten gerecht wird. Die konsequente Einbindung des Konzepts Ihrer Wahl in die Patientenberatung führt dazu, dass die Praxis automatisch Neupatienten anzieht, die einsehen, dass präventive Maßnahmen unerlässlich für ein gesundes Leben sind. Sobald es zu einem Beratungsgespräch kommt, steigt die Bereitschaft der Patienten, nützliche Behandlungen auch außerhalb des Leistungskatalogs anzunehmen. Ähnliche strategische Entscheidungen treffen solche Praxen hinsichtlich des gesamten Leistungsangebots und in Bezug auf ihre Spezialisierungen. Der Anteil an Privatpatienten steigt.

Elementare Voraussetzungen eines Ordinationsauftrittes wie aufmerksamer Empfang, geordnete und helle Warteräume oder eine Mitarbeiterin, die ihren Anforderungen gewachsen ist, gelten in ländlichen Regionen ebenso wie in Ballungsräumen. Was aber als typisch „rural“ konnotiert werden kann, ist die persönliche Anrede. Die individuelle Bekanntschaft ist am Land von größerem Stellenwert als in der anonymisierten Stadt. So ist das Du deutlich schneller angesprochen als in der Stadt. Es signalisiert, dass man ein Teil des Dorfes ist. Was für die einen Distanzlosigkeit bedeutet, ist für den anderen Vertrautheit. Der Verdacht der Hochnäsigkeit oder der Herablassung, dem die (meist) zugewanderten Herr und Frau Doktor unprovoziert, dafür kollektiv ausgesetzt sind, lässt sich durch derartige Nicht-Formalismen zerstreuen.
 

DAS TEAM SUCHT WEITERBILDUNG

Selbst die stimmigste Strategie nützt nichts, wenn sie nicht von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mitgetragen und umgesetzt wird. Die praxisinterne Kommunikation muss genauso funktionieren wie die qualifizierte Patientenberatung. Gelingt dies nicht, steigt der Beratungsaufwand des Arztes oder Ärztin überproportional an, die Auswirkungen auf den Stundensatz sind stark negativ. Erfolgreiche Praxen wissen das und investieren viel in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter. Neben der fachlichen Weiterqualifikation sind die Mitarbeiter vor allem kommunikativ geschult. So ist der Telefonkontakt von besonderer Bedeutung: Wichtig bleibt für jede erfolgreiche Ordination in Stadt und Land ein strukturierter Arbeitsablauf, in dem der Patient von den Mitarbeitern bereits vorbereitet wird und der Arzt ohne Verwaltungsaufwand sich unmittelbar um den Patienten kümmern kann. Es zeigt sich: Das Prinzip „Bei uns am Land ist alles ganz anders“ hat sich längst überholt.

PRIVATE GESUNDHEITSAUSGABEN IN ÖSTERREICH NACH LEISTUNGSBEREICH VON 1990 BIS 2020

Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/293429/umfrage/private-gesundheitsausgaben-in-oesterreich-nach-leistungsbereich/.

Diese Statistik zeigt die Höhe der privaten Gesundheitsausgaben in Österreich nach Leistungsbereichen von 1990 bis 2020. Im Jahr 2020 beliefen sich die Aufwendungen von Privatzahlern auf 1,422 Milliarden Euro.