REGELN FÜR MEHR QUALITÄT
Funktionierendes Qualitätsmanagement in Ordinationen benötigt Vorgaben. Leitbilder und ihre Umsetzung entscheiden über den Erfolg einer qualitätsbewussten Organisation.

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Nicht alles, was für eine Ordination gut ist, ist auch spannend. Qualitätsmanagement hat die thematische Strahlkraft eines 500-seitigen Telefonbuchs. Und dennoch ist das Thema von gleicher Bedeutung wie die Lektüre zu einer – ähnlich aufregenden – Öko-Steuerreform. Unternehmensgröße ist dabei kein Maßstab für die Notwendigkeit, sich mit Servicequalität und Organisationsstrukturen zu beschäftigen. In der kleinsten Landpraxis ist Bedarf an qualitätsorientierten Organisationsmaßnahmen: Denn es gibt in jeder Praxis Regeln, die den Ablauf bestimmen. Nur haben diese Vorgaben meist kein System.
SYSTEME FÜR DEN ALLTAG
Die Ergebnisse dieses „schlampigen“ Umgangs mit eigenen Ansprüchen finden sich in den Details: Jede Arzthilfe begrüßt den Patienten anders, die Aufnahme der Daten erfolgt doppelt, Hilfestellungen für den Arzt geschehen unterschiedlich, Mitarbeiterweiterbildung basiert auf Zufall, Datensicherheit obliegt dem IT-Berater, etc. In den Kategorien des Qualitätsmanagements werden für diese Abläufe Regeln definiert und in angemessener Form dokumentiert. Bei einem gut durchdachten Qualitätsmanagementsystem geht es daher immer um die Reihenfolge festgelegter, notwendiger Schritte zur Erreichung eines Zieles. Jedes Mitglied des Ordinationsteams weiß, was wann zu tun ist – und zwar unabhängig von der Dauer der Zugehörigkeit. Auch Neueinsteiger kriegen aufgrund der Vorgaben und Dokumentationen rasch mit, wie die Dinge laufen. Die Qualität des Patientenbeziehungsprozesses ist immer dieselbe.
DAS LEITBILD
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“. Über die Urheberschaft des Zitates streiten die Rechthaber. Favoriten sind Ex-Bundeskanzler Helmut Schmied, sein Amtskollege Bruno Kreisky und – unter anderem – die historische Wuchtelschleuder Winston Churchill. Im Berufsalltag des niedergelassenen Mediziners ist es genau umgekehrt: Es ist der Arzt, der Visionen braucht. Ordinationsinhaber und jede Ordinationschefin müssen für sich definieren, wo sie und ihre Praxis in fünf oder zehn Jahren stehen sollen. Die Formulierung des Leitbildes muss die einzelnen Interessenspartner miteinbeziehen: Patient, Mitarbeiter, Ordinationsinhaber und Krankenkassen. Für die wesentlichen Beteiligten werden überprüfbare Ziele definiert.
MESSLATTE FÜR WARTEZEITEN
Beispiele können sein, dass für Patienten die Wartezeiten durchgängig unter 15 Minuten gedrückt werden und die Patientenzufriedenheit bei einer jährlichen Befragung auf eine bestimmte Note gehoben wird. Der Mediziner kann für sich Ziele mit unterschiedlichster Motivation vorgeben: Es können medizinische Vorgaben sein, die erreicht werden wollen. Die Ziele können aber auch betriebswirtschaftlicher Natur sein: Der Anteil der Selbstzahlerpatienten soll auf 20 Prozent gesteigert werden, die Patientenzahlen sollen sich einer bestimmten Grenze nähern.
ZUFRIEDENHEIT DER MITARBEITER
Für die Mitarbeiter wird als Ziel eine hohe Arbeitszufriedenheit bestimmt, die ebenfalls jährlich erhoben und hinterfragt wird. Dies ist selbst in Praxen mit nur einer Helferin umsetzbar: In einem jährlichen Gespräch eruiert der Chef die Befindlichkeit seiner Mitarbeiterin und was im Rahmen des machbaren verändert werden kann. Genauso wichtig ist es, die Qualitätsziele an die Mitarbeiter zu kommunizieren und sie schriftlich niederzulegen. Je stärker die Identifikation der Mitarbeiter mit den Qualitätszielen, umso höher ihre Produktivität.
DIE EINFÜHRUNGSPHASE
l. Die Anfangseuphorie
Jeder ist eifrig bei der Sache. Meist bringen schon die anfänglichen Besprechungen sehr viel Positives. Das Team hat eine neue Aufgabe, die man gemeinsam meistern will.
II. Keiner hat mehr Zeit
Das ist der Punkt, wo Chefs anfangen zu zweifeln, ob die Entscheidung richtig war, ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen. Das Projekt artet in Arbeit aus, Überstunden sind notwendig.
III. Bedrohung des Arbeitsklimas
Durch die Veränderungen fühlen sich Mitarbeiter kritisiert. Man muss ihnen klar machen, dass die Erfassung der Fehler keine persönlichen Angriffe darstellen. Manchmal leidet in dieser Phase das Betriebsklima, aber es ist ein Lernprozess, der sehr wichtig ist.
IV. Durchbruch
Jeder ist stolz auf das, was er geleistet hat. Im Idealfall hat jeder eine Aufgabe, dadurch hat er auch viel Verständnis für den anderen, wenn der etwas braucht.
DAUER
Wer Qualitätsmanagementsysteme aufsetzt, braucht Geduld. Die Beraterliteratur spricht von acht bis zehn Monate, bis die Maßnahmen sitzen. Schneller eingeführte Systeme bringen oft in der Folge Probleme, weil die Mitarbeiter überfordert werden. Ob externe Berater beigezogen werden, hängt von den Zeitressourcen der Beteiligten ab. Die Consultingkosten spielen neben den Umstellungsaufwand (Überstunden) natürlich eine Rolle. Die Ärztekammer liefert mit dem ÖQM-System wertvolle Hilfestellung (siehe Kasten). Dann wird die Sache spannend.