Infektionen und Antibiotika
Bakterien sind Einzeller. Sie vermehren sich, indem sie sich in der Mitte teilen - unter günstigen Bedingungen alle 20 bis 30 Minuten. Sie sind überall: im Boden, in der Luft, im Wasser. In jedem Gramm Ackerboden leben 2,5 Milliarden davon.
Einige Bakterien sind äußerst nützlich. Menschen lassen sie für sich arbeiten, etwa bei der Bereitung von Käse, Joghurt oder Sauerkraut. In Kläranlagen können sie fast jeden Abfallstoff in harmlose Substanzen zerlegen. Und in der biotechnischen Produktion erzeugen sie Medikamente wie Human-Insulin, Interferone oder Impfstoffe.
Jeder Mensch beherbergt große Mengen von Bakterien auf und in sich - rund zehnmal mehr, als er selbst Zellen hat. Einige erfüllen wichtige Funktionen. So sind Darmbakterien für die Verdauung notwendig, produzieren Vitamine und schützen den Darm vor einer unkontrollierten Vermehrung krankmachender Keime. Bakterien auf den Schleimhäuten (z. B. Milchsäurebakterien in der Scheide) schützen vor Pilzinfektionen.
Normalerweise lebt der Mensch mit seinen Bakterien in Einklang. Barrieren wie die Haut und die Schleimhäute, das Flimmerepithel in den Atemwegen und das Immunsystem sorgen dafür, dass diese und andere Bakterien nicht tiefer als erwünscht in den Körper eindringen und überhand nehmen können. Allerdings nur, wenn diese Barrieren intakt sind.
Versagen des körpereigenen Schutzes
Zu bakteriellen Infektionen kommt es, wenn der körpereigene Schutz versagt. Beim akuten Schub einer chronischen Bronchitis kann zum Beispiel das Flimmerepithel eines Patienten durch Rauchen stark beeinträchtigt sein, hinzu kommt eine Schädigung der Bronchialschleimhaut durch eine von Viren hervorgerufene Erkältung. Auf diese Weise können sich bestimmte Bakterien, die schon zuvor in den Bronchien lebten, so stark vermehren, dass es zu einer Infektion kommt.
Auch andere bakterielle Infektionen treten erst dann auf, wenn die Abwehrmechanismen geschwächt sind, beispielsweise durch eine Verletzung, eine schwere Erkrankung, Stress oder Medikamente, die das Immunsystem unterdrücken.
Bakterielle Infektionen sind Entzündungskrankheiten
Wie auch bei anderen Störungen, reagiert der Körper auf eingedrungene Bakterien mit Entzündungsreaktionen, also mit Rötung, Wärme, Schwellung, Schmerz und mit einer Immunantwort.
Die Immunantwort kann wie beim Beispiel der Bronchitis beschrieben lokal begrenzt sein. Bei anderen, schwereren Infektionen können die Entzündungsreaktionen auch ein oder mehrere Organe (vor allem Leber und Nieren) betreffen. Schuld ist eine aus den Fugen geratene Abwehrreaktion des Körpers - die lebensbedrohliche Formen annehmen kann.
Einige wenige Bakterienarten produzieren zudem lebensgefährliche Gifte, so etwa die Erreger von Diphtherie und Wundstarrkrampf (Tetanus).
Harmlose und gefährliche Bakterien
Die verschiedenen Bakterienarten sind in sehr unterschiedlichem Maße fähig, der Abwehr des Menschen zu widerstehen und Krankheiten auszulösen. Auch kann es innerhalb einer Art harmlose und gefährliche Stämme geben.
Die häufigsten bakteriellen Infektionen in Mitteleuropa betreffen die Atem- und die Harnwege. Seuchen wie Pest, Typhus und Cholera sind in Europa ausgerottet, doch in anderen Erdteilen nach wie vor verbreitet.
Einige Erkrankungen wurden erst in den letzten Jahrzehnten als Infektionskrankheiten erkannt, etwa die Magenschleimhautentzündung. Heute wird diskutiert, ob auch bei der koronaren Herzkrankheit, bei Alzheimer und Multipler Sklerose Bakterien an der Erkrankung beteiligt sind.
Einige Infektionskrankheiten, die in den 70er Jahren in Mitteleuropa bereits als besiegt galten, machen - bedingt durch die zunehmende Globalisierung - wieder von sich reden. So haben in den letzten Jahren Diphtherie und Tuberkulose in den westlichen Industrienationen wieder zugenommen. Die zunehmende Mobilität und die Klimaveränderungen tragen dazu bei, dass zusätzliche Infektionskrankheiten auch in Zentraleuropa auftreten können.
Entwicklung der Antibiotika
Normalerweise schafft es das körpereigene Immunsystem, die Ansteckung mit bakteriellen Krankheitserregern abzuwehren. Kommt es aber doch dazu, stehen seit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming (1929) wirkungsvolle Antibiotika zur Verfügung.
Allen Antibiotika ist gemeinsam, dass sie in den Stoffwechsel der Bakterien eingreifen (diese abtöten oder ihre Vermehrung stoppen), während sie auf menschliche Zellen in den eingesetzten Dosierungen keine oder nur geringe Wirkung zeigen.
Der Kreis der Substanzen, die zu den Antibiotika gezählt werden, hat sich im Laufe der Zeit erweitert. Der Begriff wurde zunächst nur für solche antibakterielle Verbindungen verwendet, die von Pilzen oder Bakterien „zur Selbstverteidigung" produziert werden.
Heute spricht man auch bei vollsynthetische Substanzen mit antibakterieller Wirkung (wie etwa die Fluorchinolone) von Antibiotika. Damit muss man rückblickend auch die ersten antibakteriellen Medikamente überhaupt, das Salvarsan (gegen den Erreger der Syphilis) und die Sulfonamide (u.a bei Darm- und Harnwegserkrankungen), zu den Antibiotika zählen.
Behandlung mit Antibiotika
Antibiotika können oral oder parenteral verabreicht werden. Unter oraler Gabe versteht man die Einnahme von Tabletten, Kapseln oder Saft. Beim parenteralen Verabreichen wird meist gelöstes Antibiotikum in eine Vene eingeleitet (intravenös infundiert). Bei einigen Antibiotika ist auch eine rasche intravenöse oder intramuskuläre Injektion möglich.
Bei oraler Gabe dauert es einige Zeit, bis im Blut die maximale Konzentration des Wirkstoffs erreicht wird, da er erst aus dem Darm über die Darmschleimhaut in die Blutgefäße aufgenommen werden muss. Diese Resorption erfolgt bei einigen Antibiotika nicht vollständig, so dass im Körper dann weniger Wirkstoff zur Verfügung steht als eingenommen wurde.
Bei schweren oder sogar lebensbedrohlichen Infektionen, die üblicherweise im Krankenhaus behandelt werden, ist es wichtig, dass der Wirkstoff in hoher Konzentration schnellstmöglich die Bakterien erreicht. Daher werden im Krankenhaus Antibiotika überwiegend parenteral verabreicht.
In der Praxis sollten bevorzugt Antibiotika mit einmal täglicher Dosierung verschrieben werden, um möglichst zu vermeiden, dass die Patienten die Einnahme vergessen. Mit modernen Antibiotika ist das möglich.
Bei leichten bis mittelschweren Infektionen beträgt die Therapiedauer im allgemeinen fünf bis sieben Tage. Bei der unkomplizierten Blasenentzündung oder bei Tripper (Gonorrhoe) genügt sogar eine Einmaltherapie mit einem potenten Antibiotikum.
Chronische Infektionen wie die Tuberkulose, die Lyme-Borreliose nach Zeckenstich oder eine Osteomyelitis (Knochenmarksentzündung) müssen dagegen mehrere Wochen bis Monate behandelt werden. Hier kommen auch häufig Kombinationen mehrerer Antibiotika zum Einsatz, die gleichzeitig oder nacheinander verabreicht werden.
Die Entscheidung, mit welchem Antibiotikum und wie lange therapiert werden soll, kann nur der behandelnde Arzt treffen.
Resistenzen und neue Erreger
Es ist ein ständiger Wettlauf zwischen "Mensch und Mikrobe", der schon früh begann: Bereits kurz nach Einführung des Penicillins entdeckten Wissenschaftler, dass Keime, die zuvor noch erfolgreich bekämpft werden konnten, auf unerklärliche Weise unempfindlich geworden waren.
Mit wachsendem Penicillingebrauch stieß man immer öfter auf das Problem der Resistenz. Neue Antibiotika drängten es zwar wieder zurück, doch jede Neueinführung brachte später wieder resistente Keime hervor.
Ob ein Erreger gegen ein oder mehrere Antibiotika resistent ist, lässt sich leicht testen: Dazu vermehrt man den Erreger auf der ganzen Fläche einer Petrischale mit geeignetem Nährboden. Dann werden mit verschiedenen Antibiotika getränkte Blättchen darauf gelegt. Ein wirksames Antibiotikum lässt sich an einem hellen Hof um das Blättchen erkennen - hier sind die Bakterien abgestorben. Wird dagegen kein Hof sichtbar, sind die Bakterien gegen das betreffende Antibiotikum resistent.
Antibiotika-Forschung ist also ein ständiger Kampf um den Vorsprung vor den Erregern. Nicht nur die Resistenzentwicklung, sondern auch das Auftreten neuer Krankheitserreger ist die Herausforderung an die Forschung.
Datum: 06.11.2015
Letzte Aktualisierung: 22.03.2016